Sonnensystem: Geflutete Fjorde auf Saturnmond Titan
In den rund zwölf Jahren, seit die Raumsonde Cassini das Reich des Ringplaneten Saturn und seiner vielen Monde erkundet, erregten die Radaraufnahmen des größten Trabanten Titan große Aufmerksamkeit bei den Wissenschaftlern und der interessierten Öffentlichkeit. Sie enthüllten eine überraschend erdähnliche Oberfläche mit großen Meeren und Seen aus flüssigem Methan, die sich im sichtbaren Licht unter einer undurchdringlichen Dunstschicht versteckt. Forscher um Valerio Poggiali von der Universität Sapienza in Rom stießen nun im Umfeld des zweitgrößten Methanmeers auf Titan, des Ligeia Mare, auf tief eingeschnittene, enge Täler, die teilweise mit flüssigem Methan gefüllt sind. Sie erinnern damit an irdische Fjorde, also von Gletschern und Flüssen ausgehobene Täler, die vom steigenden Meeresspiegel nach dem Ende der Eiszeit geflutet wurden.
Die Täler waren schon früh zu Beginn der Radarbeobachtungen von Titan aufgefallen und erschienen auf den Bildern so dunkel wie die Oberflächen der Methanmeere. Bislang war aber nicht klar, ob sie mit Flüssigkeit gefüllt sind oder ob es sich um Ablagerungen von methangesättigten Sedimenten handelt, die auf dem Saturnmond weit verbreitet sind. Die Oberflächen der flüssigen Methanansammlungen sind vergleichsweise glatt, reflektieren die Radarwellen von Cassini somit relativ schlecht und erscheinen daher dunkel. Sie können aber regelrecht aufblitzen, wenn die Radarwellen zufällig im Winkel der Totalreflexion einfallen, wie es bei manchen Beobachtungen der Fall war.
Die Forscher untersuchten eine Region an der Küste des Ligeia Mare mit dem Namen Vid Flumina. Dort stießen sie auf Täler, die bis zu 800 Meter breit und zwischen 240 und 570 Meter tief waren. Mit dem auf Höhenmessung (Altimetrie) eingestellten Radarsystem konnten Poggiali und seine Koautoren feststellen, dass die Höhenlagen der dunklen Talböden auf rund 70 Zentimeter genau mit dem Methanspiegel im Ligeia Mare übereinstimmen. Zusammen mit dem gleichen Reflexionsverhalten im Vergleich zum Ligeia Mare ergibt sich daraus, dass diese Täler zumindest teilweise mit flüssigem Methan gefüllt sind.
Unklar ist jedoch, wie diese Täler einstmals entstanden sind. Auf jeden Fall muss daran flüssiges Methan beteiligt gewesen sein, das bei Regen in großen Mengen auf die Oberfläche fällt und dabei große Fluten auslöst. Möglicherweise wurden ausgedehnte Regionen der Saturnmondkruste durch Kräfte aus dem Inneren des Himmelskörpers um mehrere hundert Meter oder gar ein bis zwei Kilometer angehoben. Dann läuft der Methanregen rasch in tiefer liegende Gebiete ab und gräbt dabei die Täler. Auch Schwankungen beim Füllungsgrad der Methanmeere – der Saturnmond ist ausgeprägten Jahreszeiten unterworfen – könnten für die Entstehung der Täler verantwortlich sein. Liegt der Methanspiegel niedrig, so muss das Methan aus den Regenfällen größere Höhenunterschiede zurücklegen und kann dann tiefe Täler ausheben. Steht der Spiegel dagegen hoch, so flutet das Methan die Täler.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben